Mittwoch, 11. November 2015

Dualismus von gemeinschaftlicher und individueller Entwicklung

Das letzte Mal habe ich mit folgender These geschlossen:

So, wie es in kommunistisch orientierten Gesellschaften keinen konkreten individuellen Fortschritt geben kann, gibt es in kapitalistisch orientierten Gesellschaften keinen gemeinschaftlichen Fortschritt. Während also primär zum gemeinschaftlichen Vorteil agierende Gesellschaften in Bereichen stagnieren, die individuellen Unternehmergeist erfordern (neue Techniken etc.), stagnieren auf den individuellen Vorteil ausgerichtete Gesellschaften, weil es in der Gesellschaft zu keiner Entwicklung (besserer Bildung, stärkereres Gemeinwesen) kommen kann, da jeder gezwungen ist nur zum eigenen Vorteil zu handeln.


Zugegeben, das ist etwas doppelt gemoppelt, daher der Versuch der Verschlankung:

Eine gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft schwächt die Entwicklung aus individuellen Motiven. Eine individuell orientierte Gesellschaft schwächt die Entwicklung aus gemeinschaftlichen Motiven.

Eine Erläuterung, warum ich das so sehe. Als Kind der DDR sitze ich noch an der Quelle zu verschiedenen Generationen, die in einer gemeinschaftlich orientierten Gesellschaft gelebt haben. Zwar handelt es sich beim Sozialismus nicht gerade um ein mustergültiges gemeinschaftlich orientiertes Beispiel, aber es zeigt die Stärken und Schwächen des Systems auf. Als Schwäche ist eindeutig zu bewerten, dass  über die Grundversorgung hinaus, die Produktion sehr abhängig von äußeren Faktoren war. Auch individueller Unternehmergeist und individuelle Ansichten wurden unterdrückt oder zum Wohle der Gemeinschaft annektiert. Einen individuellen Wohlstand konnte sich nur erarbeiten, wer Mechanismen des Systems kontrollierte und daher die Schwächen zum eigenen Vorteil ausnutzen konnte (sowohl politisch, als auch z.B. durch Zugang zu gewissen Produkten). Die Stärke des Systems lag in der Sicherheit der individuellen Versorgung insbesondere auf der Basisebene. Zielqualitäten wie satt, beschäftigt, untergebracht, die Kinder sind sicher und versorgt, elementare Bildung konnten ohne Probleme von allen Bürgern erreicht werden. Durch die Schwäche des Systems sich einer politischen Doktrin (Arbeiter- und Bauernstaat) unterordnen zu müssen, war die erweiterte Bildung nicht so effektiv wie sie hätte sein können. Andererseits wäre dem studierten und spezialisiertem Mensch aber auch im politischen Rahmen wenig Raum für individuelle Entwicklung geblieben. Dies führte, wie historisch bekannt, zu einer Elitenbildung und einem repressivem System, in dem Bürgern der Zwang auferlegt wurde zum Wohle der Gemeinschaft (und insbesondere zum Wohle der Eliten) produktiv und friedlich zu sein.

Auf der anderen Seite, im wahrsten Sinne des Wortes, liegt die BRD. Als kapitalistisch orintiertes und subventioniertes Ziehkind, soll sie als Beispiel für die individuelle Orientierung dienen. Hier lag die einzige Grenze zu individueller Entwicklung im eigenen Wohlstand. Wer wohlhabend genug war konnte Bildung erringen, Faulheit erleben oder sich so entwickeln wie es gewünscht war. Ohne Wohlstand hingegen war es nur durch politischen Regelung möglich, die Erfüllung grundlegender Zielqualitäten zu erreichen. Sozialhilfen, Kohlepfennige, aber auch wirtschaftliche Subventionen usw. dienten hier dazu den Bürgern das Erreichen der für sie erstrebenswerten Zielqualitäten zu ermöglichen, um den Inneren Frieden der Gesellschaft zu sichern. Eine Zielstellung, die jedoch keine Entwicklung im gemeinschaftlichen Sinne erzeugen konnte, da für jeden Bürger die nur die Entwicklung zum individuellen Vorteil (insbesondere Geldgewinn) als gesellschaftlich wertdefinierende Entwicklung galt.
Die stärkste individuelle Entwicklung wurde dabei durch das Zusammenwirken gleichartiger individueller Interessen erreicht. Oft als Zeichen der Sozialität und Solidarität gewertet, stellen Gewerkschaftendie Vertretung der individuellen Interessen der Arbeitnehmer dar. Auf der anderen Seite stehen dabei die Arbeitgeberverbände, die ebenso nur individueller Interessen vertreten. Die daraus entstehenden Arbeitskämpfe und politischen Entwicklungen führten zu individuellem Wachstum des Wohlstands. Eine gemeinschaftsorientierte Entwicklung fand dabei jedoch kaum statt. Im Gegenteil entwickelte sich durch die durch Wachstum und technische Entwicklung (siehe den vorigen Blog) zu einer ungleichen Verteilung des Wohlstands und Spannungen, die auf der erforderlichen Umverteilung zur Wahrung des Friedens basieren. Dies führte, wie historisch bekannt, zu einer Elitenbildung und einem repressivem System, in dem Bürgern der Zwang auferlegt wird wirtschaftlich (insbesondere zum Wohle der Eliten) produktiv und friedlich zu sein.

Man verzeihe mir das etwas polemische Ende der beiden Abschnitte, jedoch ist, insbesondere im Hinblick auf Vorratsdatenspeicherung und BND-Skandal, der Unterschied von DDR und BRD nicht so groß wie angenommen. Der Zwang zur Unterordnung unter das geltende System ohne Alternative ist bei beiden Gesellschaften gegeben. Selbst die Aussage:"Dann wander doch aus." ist müßig. Wohin denn? In einer Welt des repressive Kapitalismus einerseits und des repressiven Extremismus auf der anderen Seite ist die Auswahl eher mau.

Daher kann die Entwicklung nur aus dem Inneren heraus erfolgen. Eine Entwicklung, die eine Abkehr von beiden Systemen erfordert.

Betrachten wir die beiden Systeme, die essentiell hinter allen gesellschaftlichen Systemen der letzen Jahrzehntausende stecken, so haben wir zwei Tendenzen:

1. Individueller Vorteil zum gemeinschaftlichen Nachteil
2. Gemeinschaftlicher Vorteil zum individuellen Nachteil

Wie der Titel es schon andeutet, zeichnet sich für mich da ein interessanter Dualismus ab. Ein Dualismus, der allerdings eine Polarität darstellen kann. Bisher war jeder Versuch der Bildung eines gesellschaftlichen System daran orientiert, eines der Systeme einzeln oder als Hybrid verschiedener Elemente des jeweils anderen Systems zu realisieren. Soziale Marktwirtschaft ist dabei ebenso ein Beispiel wie ein Sozialismus und Kommunismus mit einem Währungssystem. Auch kommunistische Kommunen haben nicht funktioniert, wie egalitäre Elternabende, da sie der individuellen Entwicklung keinen Raum bieten konnten, so wie der Kapitalismus grundsätzlich immer am Mangel gemeinschaftlicher Entwicklung krankt. Kapitalistische Krisen lassen sich  fast immer auf das individuelle Streben nach dem eigenen Vorteil oder Wohlstand zurückführen, ohne Rücksicht auf Schäden, die dadurch am Gesamtsystem entstehen. Genauso wie die Korruption kommunistischer Systeme auf das Streben nach individuellem Vorteil ohne Blick auf den gemeinschaftlichen Schaden zurück zu führen ist. Die daraus resultierende Dualität stellt sich meiner Ansicht folgendermaßen dar:

Die gemeinschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft erfordert nicht nur gemeinschaftlich handelnde Individuen, sondern auch individuell handelnde Individuen. Genauso wie die individuelle Entwicklung einer Gesellschaft auch immer das gemeinschaftlich handelnde Individuum benötigt.

Allerdings jeweils in seinem entsprechendem Raum. Aber dazu schreibe ich im nächsten Blog weiter.

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