Im letzten Blog schloss ich mit der These:
Die gemeinschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft erfordert nicht nur gemeinschaftlich handelnde Individuen, sondern auch individuell handelnde Individuen. Genauso wie die individuelle Entwicklung einer Gesellschaft auch immer das gemeinschaftlich handelnde Individuum benötigt.
Dazu merkte ich an, dass diese Entwicklung einen eigenen Raum benötigt. Auf diese Räume möchte ich heute näher eingehen. Beginnen wir mit dem Raum für individuelle Entwicklung. Der optimale Raum für individuelle Entwicklung ist liberal und rechtssicher. Die Liberalität ist erforderlich, damit z.B. politische Vorgaben die individuelle Entwicklung nicht behindern. Wer also Idee, Kapital und Kraft für das Verfolgen von Unternehmungen zum eigenen Vorteil hat, sollte diese auch verfolgen dürfen. Werden Ideen behindert, indem zum Beispiel in der Bildung ein gewisses Schema indoktriniert wird, ist die individuelle Entwicklung in der Regel entweder im Schema oder als Protest gegen das Schema möglich. Ähnlich ist es mit dem Kapital für die Unternehmung. Bestehen nicht genug Mittel kann eine Unternehmung nicht oder nur beschränkt realisiert werden. Die Kraft zur Ausführung ergibt sich aus der Zeit die für die Unternehmung zur Verfügung steht und die Leistung die in dieser Zeit möglich ist. Wer zum reinen Lebensunterhalt seine ganze Zeit und Kraft aufwenden muss, kann sich individuell nicht weiter entwickeln, egal ob genug Kapital (z.B. durch niedrige Zinsen) und Ideen vorhanden sind.
Dem gegenüber steht die Rechtssicherheit. Akteure im liberalen Wirtschaftsraum müssen in einem rechtssicherem Raum handeln können, um eine Übervorteilung von Akteuren durch politisch orientierte Einflussnahme auf wirtschaftliche Prozesse (z.B. Planwirtschaft), wirtschaftlich orientierte Einflussnahme auf rechtliche und politische Prozesse (z.B. Lobbyismus) oder gewaltausübende (kriminelle) Handlungen zu verhindern. Als Maßstab für wirtschaftlichen und damit individuellen Erfolg sollte die erfolgreiche Umsetzung von Ideen, die wirtschaftliche Nutzung von Kapital und die nachhaltige Verwendung von Kraft gelten.
Dem gegenüber steht die gemeinschaftliche Entwicklung. Für eine optimale gemeinschaftliche Entwicklung benötigt diese Gemeinschaft verschiedene Säulen auf der die Entwicklung nachhaltig wirksam werden kann und ebenso die Rechtssicherheit. Die erste Säule stellt, parallel zur Idee in der individuellen Entwicklung, die Gesamtheit der Werte und Normen der Gemeinschaft dar. Werte und Normen müssen dabei innerhalb der Gemeinschaft verschieden sein dürfen, denn die spezifischen Eigenschaften des Individuums in der Gemeinschaft müssen geachtet werden um die Stabilität der Gemeinschaft zu gewährleisten. Andererseits dürfen die gemeinschaftlichen Werte und Normen nicht konkurrieren oder kollidieren. Die Werte und Normen können dabei also immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Gesellschaft abbilden, da ansonsten ein Konflikt als grundsätzliches Element des gemeinschaftlichen Zusammenlebens geduldet werden müsste. Nehmen wir die Frage der Flüchtlingshilfe als Beispiel. Die Unversehrbarkeit des Menschen ist als gemeinschaftlicher Wert anerkannt und die Normen, dass ein Mensch nicht verletzt bzw. getötet werden darf, eine der essentiellen Normen unserer Gesellschaft. Dem gegenüber stehen allerdings konkurrierende Normen:
Wir helfen Hilfsbedürftigen nur solange, wie wir uns selbst nicht schaden.
und
Wir helfen Hilfsbedürftigen nur solange, wie wir den Schaden an uns selbst ertragen können.
So ähnlich sich diese Normen sind, so unvereinbar sind sie in ihrer Konkurrenz. An diesem Punkt ist nun eine gemeinschaftliche Entwicklung erforderlich. Wie diese aussehen könnte werde ich später näher erläutern. Zunächst einmal die nächste Säule der gemeinschaftlichen Entwicklung, die Infrastruktur. Die Infrastruktur stellt analog zum Kapital die gemeinschaftlichen Mittel zur Entwicklung dar. Dies sind natürlich einerseits Elemente der physischen Infrastruktur wie Wasserleitungen, Busse oder Straßenbelag, aber andererseits auch eine eher intellektuelle und psychische Infrastruktur wie eine gemeinsame Sprache, das wissenschaftliche Prinzip oder die Akzeptanz der Schwerkraft. Diese Infrastruktur kann dabei intern entstehen, oder extern aufgenommen werden. Ein Beispiel aus der Vorzeit. Ein Clan aus Urmenschen lebt ohne Feuer, bis sie entweder selbst entdecken es zu entfachen, oder einen Clanfremden aufnehmen, der das Geheimnis kennt. Dies wäre eine gemeinschaftliche Entwicklung auf Basis der psychischen Infrastruktur. Wäre die Gemeinschaft nicht in der Lage den Clanfremden aufzunehmen, so wäre sie in ihrer Entwicklung gehemmt. Andererseits stärkt das Wissen über das Feuer die Infrastruktur und wenn der Clanfremde einen Feuerstein mitbringt, nicht nur auf intellektuelle sondern auch physische Weise.
Als dritte Säule besteht auch hier die Kraft gemeinschaftlich zu handeln. Auch hier ist relevant wieviel Zeit und Leistung ein Individuum der Gemeinschaft gegenüber aufwenden kann.
Auch die gesellschaftliche Entwicklung benötigt, wie angemerkt, Rechtssicherheit. Werte und Normen müssen nicht zwangsläufig in Form von Rechtsvorschriften formuliert werden, jedoch braucht jeder Akteur im gesellschaftlichen Handeln die Sicherheit, dass die eigene Position in der Gesellschaft sicher ist. Ebenso wie der individuelle Akteur vor unrechtlicher Übervorteilung sicher sein muss.
Es könnte jetzt der Versuch folgen, die beiden Ansätze zu kombinieren. Ein Versuch, der ähnlich müßig ist, durch das Löschen eines Feuers eine Suppe zu erhalten. Bleiben wir bei der Suppenanalogie. Einerseits haben wir das Feuer, heiß, dynamisch aber auch gefährlich und verzehrend. Andererseits das Wasser, fließend, in der Regel am Punkt der geringsten Arbeit zu finden aber auch nachhaltig wirksam (vgl. steter Tropfen). Haben wir von dem Einen zuviel, erlischt die Dynamik, haben wir von dem Anderen zuviel verdunstet jegliche Nachhaltigkeit. Zum Glück haben wir die Suppenanalogie, denn sie verrät uns die Lösung: Ein Topf.
Damit die beiden Systeme produktiv interagieren können, benötigen wir ein System, das die Wirkung der beiden Systeme kombiniert. Die Hitze wird gemäßigt, und die (löschend wirkende) Trägheit aufgehalten. Gleichzeitig aber wird die Trägheit im Topf verringert, und Hitze einem nachhaltigen Nutzen (Wasser hat die bessere Wärmekapazität) zugeführt.
Bevor jetzt aber jemand damit anfängt Flüchtlinge und Hartz4-Empfänger in große Töpfe zu werfen, die über einem Scheiterhaufen für Börsenmakler hängen, betrachten wir das Zusammenspiel der oben beschriebenen Systeme. Betrachten wir zuerst wieder den individuellen Teil. Dieser ist ein liberaler Wirtschaftmarkt, auf dem der staatliche Einfluß darauf beschränkt ist kriminelle Übervorteilung von Mitbewerbern zu verhindern und andererseits die Bürger vor Schaden durch individuelles Handeln zu bewahren. Die Wirtschaft darf also frei ihren Ideen nachgehen, Mitbewerber aus dem Markt drängen, Kapital erwirtschaften und Kräfte bzw. Zeit und Leistung für die eigenen Unternehmungen erwerben. Der Staat schützt die Bürger davor zu Schaden zu kommen, in dem er zum Beispiel die Verklappung von Giftmüll verhindert, Kinderarbeit zum Schmieren von Dampfmaschinen verbietet, Wochenarbetisstunden von 80 Stunden verhindert und generell die Rechtssicherheit ALLER Akteure im Wirtschaftssystem gewährleistet, was den Fluß von Geld, Waren und Leistungen miteinbezieht. Soviel zum Feuer. Jetzt das Wasser. Die Gemeinschaft hingegen ist eine egalitäre fast schon kommunistische Form des Zusammenlebens. Ein Zusammenleben, das den Mitbürgern das Erreichen der gleichen Zielqualitäten ermöglicht. Zielqualitäten wie: Satt, Dach über dem Kopf, gekleidet, sicher vor Schaden, frei beweglich, unterhalten und sozialisiert. Um diese Zielqualitäten erreichen zu können müssen den Mitbürgern gewisse Dinge und Leistungen zur Verfügung gestellt werden. Dinge und Leistungen, die entweder dem Wirtschaftsraum entnommen werden müssen ODER aber durch die Erfüllung einer weiteren Zielqualität erreicht werden können: nützlich sein. Greifen wir dazu die drei Säulen auf: Werte und Normen, Infrastruktur und Kraft. Jedem Mitbürger steht eine gewisse Kraft zur Verfügung. Der Gemeinschaft steht eine gewisse Infrastruktur zur Verfügung, und die Werte und Normen bestimmen, wie Kraft und Infrastruktur zum Erreichen der Zielqualitäten verwendet werden können. In der Form gemeinnütziger ehrenamtlicher Arbeit wird dies schon lange angewendet. Ehrenamtliche kümmern sich zum Beispiel um Hilfsbedürftige, erlauben ihnen somit ihre zielqualitäten zu erreichen. Dazu wenden sie einen Teil der ihnen immanenten Kraft dazu auf eine gemeinschaftliche Entwicklung zu erwirken. Gleichzeitig hemmen sie allerdings ihre individuelle Entwicklung, denn der individuelle Vorteil daraus ist minimal bis nichtexistent. Darüber hinaus kann die angewendete Kraft nicht mehr zur individuellen Entwicklung verwendet werden. Der gemeinschaftlichen Entwicklung steht also immer eine individuelle Hemmung gegenüber. Drehen wir den Spieß einmal um. Ein Unternehmer erwirtschaftet durch das Herstellen selbstklebender Schrauben einen Gewinn auf dem Markt. Aus nur ihm bekannten Gründen tätigt er daraufhin eine Spende an die Gemeinschaft, die sich um die Hilfsbedürftigen kümmert. Erst einmal eine ebenso gemeinschaftliche Entwicklung durch die Stärkung der Infrastruktur, wie die Nutzung der eigenen Kraft zur Hilfe. Allerdings kann die Spende von der Steuer abgesetzt werden, wodurch diese zusätzlichen Mittel der Gemeinschaft (zumindest zum Teil) wieder entgehen. Hier zeigt sich ein Loch im Lederbeutel, durch das Wasser im Feuer verdampft. Statt jetzt aber lang auf dem momentanen Steuerrecht herumzureiten, möchte ich mit einer weiteren These schließen:
Um eine parallele individuelle und gemeinschaftliche Entwicklung zu ermöglich müssen beide gesellschaftlichen Systeme durch ein drittes System dynamisch miteinander verbunden werden.
Wie so ein System aussehen könnte beschreibe ich im nächsten Blog.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen